21.06.21

Boden

Unser Boden: Ganzheitliche Ernährung - auch für WiesenObst Bäume

In meinem letzten Artikel für unsere Genusszeit ging es um das Leben im Verborgenen – um den Boden und die Bodenorganismen. Jetzt im Frühjahr ist die Zeit, in der die Weichen für gutes Wachstum gestellt werden – unterirdisch und oberirdisch. Je besser das ökologische System insgesamt funktioniert, desto besser geht es auch den WiesenObst-Bäumen.
Wie auch schon beim letzten Mal gehen wir in diesem Artikel in die Tiefe und werden grundsätzlich... Unsere Arbeit beginnt lange bevor das erste WiesenObst der Saison bei der Manufaktur abgeliefert wird. Bodenaufbau beginnt zuerst mit einer detaillierten Bodenanalyse, die Zahlenwerte offenbart und Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. Auch im biologischen Anbau muss das chemische Gleichgewicht stimmen, denn Bodenorganismen, Mykorrhizen und Baumwurzeln brauchen Mineralstoffe und Spurenelemente.
Im Frühjahr standen somit die ersten Maßnahmen zur Verbesserung der Kationenaustauschkapazität, des Calcium-Magnesium-Verhältnisses und der Hauptnährstoffe auf dem Programm.
KÖNNEN WIR ABER AUCH PFLANZEN UND MIKROORGANISMEN DIREKTE IMPULSE FÜR EINEN GUTEN START IN EIN NEUES JAHR GEBEN?
Zur Aktivierung des Bodenlebens wird im biodynamischen Anbau seit jeher Hornmist eingesetzt. Das haben auch wir in diesem Jahr auf unseren neu gepflanzten Flächen wieder gerne getan, denn durch den geringen Mengenbedarf wird die Ausbringung mit dem Quad möglich und das macht auch einfach Spaß. Das Dynamisieren des Hornmist-Ansatzes ist eine Methode des biodynamischen Landbaus, bei der durch langes Verrühren mit Wasser eine erste tiefere Verbindung hergestellt und Kräfte aktiviert werden. Für alle, die jetzt etwas ungläubig die Augenbrauen hochziehen: Biodynamische Landwirtschaft beruht auf genauer Beobachtung und Erfahrung. Die positiven Ergebnisse sind nachweisbar und messbar – was noch nicht bedeutet, dass wir wissen, wie die Methoden genau wirken. Aber gerade in den letzten beiden Jahrzehnten hat unser Wissen über den Boden, das Bodenleben und die Interaktion von Wurzeln und Mykorrhizen große Fortschritte gemacht. Wir verstehen besser, warum biodynamische Methoden funktionieren, aber wir wissen und verstehen bei weitem noch nicht alles.
Ein anderer Weg, Boden leben und Abwehrkräfte zu stimulieren, ist Komposttee auszubringen. Dazu werden im eigens dafür angeschafften Komposttee-Fermenter die Zutaten mit Regenwasser auf 30°C angewärmt und über 36 Stunden belüftet. Durch das Einblasen der Luft ergibt sich eine Umwälzung und eine Verwirbelung im Fermenter. So vermehren sich die vorhandenen Mikroorganismen aerob. Nach dem Absieben ist der Ansatz fertig und kann auf Boden und Pflanzen ausgebracht werden.
 „Start me up“ war das Motto für alle Flächen und so haben wir zur Stärkung eine Mischung aus frischer Rohmilch, Zuckermelasse und effektiven Mikroorgansimen auf den Boden aufgebracht, um Ende März zum Zeitpunkt des Anschwellens der Knospen das unter- und oberirdische Ökosystem zu unterstützen. Effektive Mikroorganismen sind „gute“ Bodenbakterien, sie helfen der natürlich vorhandenen Vielfalt. Rohmilch enthält viele Enzyme und ist eine schnelle Calciumquelle. Beides fördert das Pflanzenwachstum in dieser frühen Zeit. Der Zucker in der Lösung dient darüber hinaus als erste Nährstoffquelle für die Mikroorganismen.
Mit zunehmender Erwärmung des Bodens nimmt die Aktivität des Bodenlebens stetig zu. Anfang April bekamen die Bodenmikroorganismen „Futter“ in Form einer Mischung aus fermentiertem Obsttrester und möglichst kleinen Holzhackschnitzeln. Am besten für die Unterstützung im WiesenObst eignet sich hier Hartholz bis zu einer Aststärke von zehn Zentimetern, weil es das optimale Nährstoffangebot bereithält. In der letzten März- und der ersten Aprilwoche sind die geschlossenen Blütenbüschel am Birnbaum erkennbar und die Zeit ist gut für eine erste „holistische“ Runde: sowohl die gesamte Struktur des Baumes als auch die Pilzzone unter den Bäumen wird mit Braunalgenextrakt, Huminsäure und effektiven Mikroorganismen gestärkt. Spurenelemente wie Calcium und Mangan können dem Baum zu diesem Zeitpunkt helfen, diese Stoffe aus dem Boden nachzufordern. Als frühe Kaliumquelle dient ganz einfach der selbst hergestellte Birnenessig.
In diesem Jahr hatten wir bereits Ende Januar und dann wieder Ende Februar im Tagesmittel Temperaturen, die deutlich über 10°C lagen. So kam die Natur sehr früh in Schwung, was immer mit der größeren Gefahr von Kaltlufteinbrüchen verbunden ist. Die kamen Anfang April, die Tage vom 13. bis 16. April waren eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen und einer Temperatur, die an der Schlater Wetterstation auf -4,3°C fiel. Die Blüten der früh blühenden Birnensorten waren bereits geöffnet. In dieser kritischen Situation beeinflussen noch viele weitere Faktoren, ob sich am Ende Früchte entwickeln werden.
Hier ist zunächst die Hanglage zu nennen, die in der Bewirtschaftung zwar mühsam ist, aber auch ihre klaren Vorteile hat, da Kaltluft in der Regel nach unten abströmt und sich nicht aufstauen kann. Die Höhe der Bäume spielt ebenfalls eine Rolle und da haben die WiesenObst-Baumriesen ein kleines Plus. Die ersten Äste beginnen in einer Höhe von 1,80 Metern und die Bäume ragen oft mehr als zwölf Meter in den Himmel. Selbst noch strengerer Boden frost hinterlässt hier weniger Schaden. In manchen Jahren ist regelrecht eine Grenze zu sehen, unterhalb derer sich keine Früchte befinden, weil die Blüte wohl erfroren ist. Das Entwicklungsstadium der Blüte ist selbstverständlich ebenso wichtig, hier haben spät blühende Sorten wie die Grüne Jagdbirne oder beim Apfel der Bohnapfel und der Bittenfelder Sämling deutlich Vorteile. Und wie bei uns Menschen kommt es eben auf die Konstitution des Individuums an: Wie fit ist der Baum, die Knospe, der Griffel oder die Eizelle? Die Konstitution eines Baumes können wir mit holistischem Spray beeinflussen. Deshalb haben wir kurz vor der extremsten Frostnacht unsere Birnen mit Algenextrakt besprüht, um ihnen eine bestmögliche Mikronährstoffzufuhr zu geben. Zusätzlich haben wir reichlich Zucker beigemischt, um den osmotischen Druck in der Zelle nochmals für kurze Zeit zu verändern. Auf diese Weise konnten wir das Erfrieren der Blüte wohl zum Teil verhindern und in den folgenden, wärmeren Tagen waren Hummeln, Bienen und andere bestäubende Insekten fleißig bei der Arbeit. Entscheidend für den Fruchtansatz bei Birnen bleibt jedoch auch die Temperatur nach der Bestäubung in der Zeit bis die Pollen durch den Griffel durchgewachsen sind um am Blütenboden die Eizelle zu erreichen. Liegen hier die Temperaturen unter 12 °C, findet kaum ein Wachstum statt und die Fruchtansätze fallen in den folgenden Wochen bald ab.
Nach der Blüte folgt die Entwicklung des Blatts und der Baum lebt bald nicht mehr nur von seinen Reserven, sondern kann über die in den Blättern stattfindende Photosynthese wieder neue Nährstoffe in den Kreislauf schicken. Jetzt ist der Moment gekommen, das Blatt zu unterstützen. Neben Mikronährstoffen und Algen kommen nun Schachtelhalm- und Brenneselextrakt zum Einsatz.
Brennesel dient als gute Calciumquelle, Schachtelhalm bringt vor allem Silizium auf das Blatt. Unser Ziel ist es außerdem, das Blatt mit positiven Bakterien und Hefen zu besiedeln und es so vor Schorf natürlich zu schützen. Damit die effektiven Mikroorganismen eine größere Oberfläche vorfinden und sich besser ansiedeln können, verwenden wir feinst vermahlenes Urgesteinsmehl. Vor allem die photosynthetischen Bakterien helfen dem Blatt bei der Nährstoffgewinnung. Andere Bakterien und Hefen sind positive “Blattbesetzer“, weil sie die Entwicklung, beziehungsweise Ansiedlung von Schaderregern verhindern. “Dieses Blatt ist bereits besetzt, für euch ist kein Platz“, lautet die Botschaft.
Mineralien helfen ebenfalls. Urgesteinsmehl dient nicht nur als Siliziumquelle, die scharfkantige Oberfläche seiner Moleküle hält insbesondere beißende Insekten vom Biss in diese Blätter ab. Zugegeben, dies alles ist ein riesiger Aufwand. Aber die Veränderungen in der Umwelt und der Klimawandel verlangen, dass wir landwirtschaftliche Ökosysteme besser verstehen, um sie in ihrer natürlichen Funktionsweise zu unterstützen und erhalten können. Auch zukünftige Generationen sollen schwäbisches WiesenObst genießen.